Insassenschutz
Insas­sen­schutz

Ver­let­zungs­ri­siko von Insas­sen bei Pkw-Unfäl­len - wer ist beson­ders gefähr­det?

Die passive Sicherheit von Pkw, also der Schutz seiner Insassen bei einer Kollision, hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Forschungsergebnisse auf Grundlage von Unfalldaten aus den USA kamen aber zum Schluss, dass Frauen gegenüber Männern einem höheren Risiko von mäßig schweren bis kritischen Verletzungen (MAIS2+) ausgesetzt seien.

Vor diesem Hintergrund wurde vereinzelt auch die Forderung nach einem weiteren Crashtest-Dummy mit den anthropometrischen Eigenschaften einer durchschnittlich großen Frau gefordert.

Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover Daten der GIDAS-Unfallforschung (German In-Depth Accident Study) aus den Erhebungsjahren 2000 – 2019 analysiert, um diejenigen Merkmale zu analysieren – sowohl von Insassen als auch der beteiligten Fahrzeuge und der Umstände der Kollision – die Einfluss auf die Verletzungsschwere ausüben. Dafür standen insgesamt rund 12.000 erwachsene Insassen zur Verfügung, die gurtgesichert in Pkw der Jahre ab 2003 in einen Unfall verwickelt waren. Insassenbezogene Merkmale umfassten unter anderem Geschlecht, Alter und Körpergröße, beim verunglückten Fahrzeug Merkmale wie Erstzulassungsjahr und Leergewicht sowie die Art der Kollision, zum Beispiel hinsichtlich der Aufprallschwere und des Unfallgegners. 

Generell muss bei den Analysen zwischen wesentlichen Anprallarten unterschieden werden: Frontalanprall, Seitenanprall und Heckanprall. Nicht nur hängen die typischen Verletzungsmuster von der Art des Anpralls ab, sondern auch Insassenschutzsysteme wie Sicherheitsgurt, Airbag und Kopfstützen sind nur in bestimmten Anprallrichtungen optimal wirksam.

Die Gesamtverletzungsschwere eines Insassen wird mit dem MAIS (Maximum AIS) als Score-Wert für die anatomische Verletzungsschwere beschrieben. Da mit einer beschreibenden Statistik allein der Einfluss einzelner Merkmale nicht voneinander zu trennen ist, kommt bei der Datenanalyse der statistischen analytischen Methode besondere Bedeutung zu. Dafür wird hier die multivariate logistische Regression gewählt. Für die verschiedenen Anprallarten werden eigene Modelle entwickelt, mit welchen der jeweilige Einfluss der Merkmale auf das Eintreten von mäßiger bis kritischer Verletzungsschwere beurteilt werden soll.

Als wesentliche Ergebnisse der Studie lassen sich zusammenfassen: Aufprallschwere und Insassenalter sind die wesentlichen Einflussfaktoren für das Zustandekommen von mäßiger bis kritischer Verletzungsschwere (MAIS2+). Beim Frontalanprall zeigt das Modell für den Fahrersitzplatz keinen Zusammenhang der Gesamtverletzungsschwere mit dem Geschlecht, auf dem Beifahrersitzplatz ergibt sich hingegen ein erhöhtes Risiko für Frauen gegenüber Männern, welches aber auch der durchschnittlich geringeren Körpergröße weiblicher im Vergleich zu männlichen Insassen zugeschrieben werden muss. Die beschreibende Statistik lässt allerdings für verschiedene Körperregionen unterschiedliche Verletzungsrisiken, wonach z. B. kleine Insassen auf dem Fahrersitzplatz ein höheres Verletzungsrisiko der Beine erkennen lassen. Auch beim Seitenanprall dominieren Anprallschwere und Insassenalter als Einflussgrößen. Die beim Heckanprall entstehenden Verletzungen sind fast ausschließlich geringfügige (MAIS1+), wobei dieses Risiko für Frauen allerdings etwa doppelt so hoch wie für Männer ist.

Die Unfallforschung der Versicherer erkennt auf Grundlage dieser Ergebnisse weiteren Forschungsbedarf, um Verletzungsmechanismen auf dem Beifahrersitzplatz näher zu ergründen. Die Einführung der modernen THOR-Dummy-Generation für Frontal-Crashtests wird daher begrüßt, die Notwendigkeit einer weiteren Dummygröße zwischen den in Verbraucher- und gesetzlichen Frontalaufprallverfahren eingesetzten Dummys, die sowohl einen Insassen mit 175 cm Körpergröße als auch einen besonders kleinen Insassen mit 150 cm abbilden, wird nicht gesehen. Als wesentlich wichtiger wird vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung die stärkere Berücksichtigung höherer Verletzlichkeit bei älteren Menschen erachtet, die unter anderem über angepasste Grenzwerte für die zulässige Körperbelastung erfolgen könnte.


 

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