Shared Space – Eine neue Gestaltungsphilosophie für Innenstädte?
Seit einiger Zeit wird in Deutschland eine intensive Diskussion darüber geführt, ob das sogenannte Shared Space – Prinzip in Klein-, Mittel- und Großstädten zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse beitragen kann.
Die möglichen Vorteile von Shared Space werden dabei von deren Befürwortern oft in hohem Maß überzeichnet. Zudem werden unterschiedlichste Ansätze wenig differenziert unter dem Schlagwort Shared Space zusammengefasst. Dies führt im schlimmsten Fall dazu, dass Shared Space als vermeintliches Allheilmittel für sämtliche innerstädtischen Verkehrsprobleme interpretiert und als Maßnahme zur generellen Verbesserung der Verkehrssicherheit angepriesen wird.
Daher hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) eine Broschüre mit Beispielen und Empfehlungen für die Praxis zusammen gestellt. Mit dieser Broschüre wird Planern und Entscheidungsträgern eine Hilfestellung an die Hand gegeben, um die fachliche Diskussion um Shared Space zu versachlichen und die kommunalen Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse zu unterstützen.
Selbsterklärende Straßenräume sollen mehr Sicherheit bringen
Selbsterklärende Straßenräume als wesentlicher Bestandteil von Shared Space sollen das soziale Miteinander der Verkehrsarten fördern und dazu führen, dass sich der motorisierte Verkehr als Gast im Straßenraum fühlt, was zu erhöhter Vorsicht und mehr Sicherheit beiträgt. So die Theorie.
Keine Nachweise für Verbesserung der Verkehrssicherheit
Bislang liegen allerdings keine aussagekräftigen Untersuchungen vor, die eine Verbesserung der Verkehrssicherheit durch Shared Space bestätigen. Die immer behaupteten Verbesserungen im Rahmen der einschlägig bekannten niederländischen Projekte halten einer vertieften Betrachtung nicht Stand.
In Bohmte, dem einzigen EU-Modellprojekt zu Shared Space in Deutschland, zeichnet sich bereits einige Monate nach Fertigstellung der Umgestaltung sogar eher eine Verschlechterung ab. Alleine in den ersten 11 Monaten nach dem Umbau geschahen hier 16 Unfälle, davon zwei mit leicht verletzten Personen. Das stellte eine deutliche Steigerung zu den Vorjahren dar, in denen sich hier lediglich 5 bis 11 Unfälle je Jahr ereigneten. Besonders Besorgniserregend ist, dass sich in 11 Monaten bereits 3 Unfälle mit Beteiligung von Radfahrern ereignet haben. In den vier Jahren vor der Umgestaltung gab es insgesamt nur 4 Radverkehrsunfälle. Eine Verbesserung ist lediglich im Bereich der zur kreisverkehrsartigen Platzfläche umgestalteten Einmündung zu erkennen. Dies liegt aber weniger an Shared Space sondern vielmehr daran, dass Kreisverkehre allgemein ein geringeres und weniger schweres Unfallgeschehen haben als Kreuzungen mit Ampeln. Sollte sich der Trend fortsetzen, müsste Shared Space in Bohmte aus Sicht der Verkehrssicherheit als gescheitert angesehen werden. Allerdings ist Bohmte nach Ansicht der UDV ohnehin kein Vorbild für Shared Space, da der Kraftfahrzeugverkehr die bei weitem dominierende Verkehrsart und nicht „der Gast“ im Straßenraum ist. Von einem Miteinander der Verkehrsarten kann hier nicht gesprochen werden.
Einheitliche Definition erforderlich
Die UDV sieht die Gefahr, dass die derzeitige undifferenzierte Diskussion dazu führen könnte, dass öffentlichkeitswirksam von politischer Seite nach Shared Space verlangt wird, ohne dass den Verantwortlichen bewusst ist, was Shared Space eigentlich bedeutet. Die Leidtragenden könnten die schwächeren Verkehrsteilnehmer sein, insbesondere Kinder, Senioren und Sehbehinderte, die auf gesicherte und deutlich erkennbare Verkehrsführungen angewiesen sind. Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) tritt daher dafür ein, die weitgehend emotional geführte Diskussion auf eine sachliche und fundierte Grundlage zu stellen. Dazu ist eine einheitliche Definition von Shared Space erforderlich.
Einsatzkriterien festlegen
Zudem müssen auf Basis ausführlicher Evaluationen weniger ausgewählter Modellgebiete sinnvolle Einsatzkriterien und Randbedingungen benannt werden. Die städtebaulichen Vorteile, die sich durch Shared Space ergeben können, sind dabei insbesondere hinsichtlich der möglichen negativen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit kritisch zu hinterfragen.
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