Schutzplanken und Schutzwände neben der Fahrbahn
Schutzplanken und Betonschutzwände – landläufig auch als Leitplanken und Gleitwände bekannt – stellen als Elemente der Straßeninfrastruktur Schutzeinrichtungen neben der Fahrbahn dar, die ein Abkommen des Fahrzeugs wirkungsvoll verhindern sollen.
Neben der bloßen Vermeidung des Abkommens von der Fahrbahn und gegebenenfalls dem Schutz dahinter befindlicher Einrichtungen, z. B. Bahnstrecken oder Brückenpfeiler, sollten solche Einrichtungen aber auch zur Sicherheit des Insassen im anprallenden Fahrzeug beitragen.
Im realen Unfallgeschehen kommt es aber dennoch vereinzelt zu Ereignissen, bei denen Pkw-Insassen beim Anprall gegen eine Schutzplanke oder Schutzwand schwere Verletzungen erleiden. Das wirft die Frage auf, ob diese Systeme bereits bestmögliche Leistung bieten und ob die Anprallprüfungen sowohl das Unfallgeschehen als auch die aktuelle Flotte von Personenwagen hinreichend berücksichtigen. Weil für die Zertifizierung der Systeme keine Crashtest-Dummys gefordert sind, liegen kaum Erkenntnisse darüber vor, welche biomechanischen Belastungen ein Insasse beim Anprall gegen eine Schutzeinrichtung zu erwarten hätte. Stattdessen wird anhand einiger Messgrößen wie ASI (Acceleration Severity Index) und THIV (Theoretical Head Impact Velocity) die Anprallschwere am Fahrzeug selbst ermittelt und die Einhaltung entsprechend festgelegter Grenzwerte überprüft.
Auffällig ist auch, dass die bei Zertifizierungstests verwendeten Fahrzeugmodelle innerhalb weiter Grenzen durch den Hersteller der Schutzeinrichtung selbst gewählt werden können. Die Anprallprüfungen erfolgen oftmals mit Fahrzeugmodellen aus den 90er Jahren, die in mehrfacher Hinsicht kaum noch als repräsentativ für die aktuelle Fahrzeugpopulation gelten können. Gerade deshalb scheint es geboten, zur Bewertung auch Messungen an anthropomorphen Testpuppen (Dummys) selbst vorzunehmen. Darüber hinaus besteht bei der naturgemäß begrenzten Zahl verschiedener Aufpralltests theoretisch die Möglichkeit, dass bei deutlichen Abweichungen von diesen Randbedingungen, beispielsweise einer niedrigeren Bauhöhe einer Schutzplanke oder einem höherem Fahrzeugschwerpunkt, unerwartete oder unerwünschte Effekte auftreten. Ein breiteres Spektrum zu untersuchender Anprallsituationen wäre daher prinzipiell wünschenswert.
Vor diesem Hintergrund stellten sich für das Forschungsprojekt folgende Fragen, die versucht wurden mit Unfallanalysen, Crashtests und numerischer Simulation zu beantworten:
- Spiegeln die Prüfspezifikationen die Anforderungen an solche Systeme im realen Unfallgeschehen wider?
- Ist insbesondere die Verwendung von Pkw mit geringer Masse und Modellen aus den 80er und 90er Jahren noch zeitgemäß? Können und sollten mit einer modernen Fahrzeugflotte die Anforderungen an Schutzeinrichtungen angepasst werden?
- Sind ASI und THIV als wesentliche Abnahmekriterien bei Anprallprüfungen geeignet, um die Belastungen auf Fahrzeuginsassen beim Anprall an eine Schutzeinrichtung zu charakterisieren?
- Lassen die aktuellen Prüfanforderungen befürchten, dass bei der Entwicklung von Schutzeinrichtungen eine „Punkt-Optimierung“ auf die geforderten Spezifikationen hin erfolgt? Wie verhalten sich zertifizierte Schutzeinrichtungen, wenn der Anprall eines Pkw mit abweichenden Parametern, z. B. hinsichtlich Anprallwinkel und Geometrie der Schutzeinrichtung, oder mit modernen Fahrzeugmodellen erfolgt?
- Gibt es angesichts der grundlegend unterschiedlichen Konzeption von Stahlschutzplanken und Betonschutzwänden systemspezifische Stärken und Schwächen hinsichtlich des Insassenschutzes?
- Lassen sich Prüfmethoden, Bewertungskriterien und Anforderungen angesichts gestiegener Anforderungen an die Realitätsnähe und das breitere Spektrum von Anprallsituationen weiterentwickeln, beispielsweise mithilfe numerischer Simulation, ohne den Aufwand für physische Fahrzeug-Crashtests übermäßig zu erhöhen?