Regelverstöße
Regel­ver­stöße

Regel­ver­stöße: Sank­ti­ons­sys­tem muss über­ar­bei­tet wer­den

Die Missachtung von Verkehrsregeln führt zu vielen Verkehrsunfällen oder ist ein mitwirkender Faktor. Die UDV hat daher in einem interdisziplinären Forschungsprojekt untersuchen lassen, in welchem Zusammenhang das Unfallgeschehen und die Sanktionierung von Regelmissachtungen miteinander stehen und welche Faktoren die Regelbefolgung bzw. Regelmissachtung von Verkehrsteilnehmern bestimmen.

Verkehrsregeln dienen einerseits der Verkehrssicherheit und dem Verkehrsfluss und andererseits der Klärung der Schuldfrage bei Unfällen. Im Rahmen der 2011 abgeschlossenen Studie wurden rund 290.000 Ursachen bei Pkw-Unfällen aus den Unfalldaten des Statistischen Bundesamtes und ca. 3,6 Millionen Einträge des Verkehrszentralregisters empirisch untersucht und juristisch betrachtet. Eine repräsentative Befragung von 1.009 Personen gab Aufschluss über die Motivation von Verstößen gegen  auswählte Verkehrsregeln.

Analyse von 27 untersuchten Unfallursachen

Etwa drei Viertel des Fehlverhaltens  entfallen auf fünf Unfallursachen:

  1. Missachten der Vorfahrt
  2. Nicht angepasste Geschwindigkeit
  3. Fehler beim Abbiegen
  4. Ungenügender Sicherheitsabstand
  5. Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

Geschwindigkeits- und Alkoholunfälle haben die schwersten Unfallfolgen, Vorfahrt- und Abstandsunfälle sind deutlich leichter, passieren aber sehr viel häufiger.

Deliktanalyse

Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg führt das Verkehrszentralregister, in dem unter anderem alle Delikte von Verkehrsteilnehmern erfasst werden, die mit mindestens einem Bußgeld von 40 Euro geahndet wurden. Für das Jahr 2007 konnten insgesamt etwa 3,6 Millionen Eintragungen ausgewertet werden:

  • rund 98 % sind Ordnungswidrigkeiten
  • der höchste Anteil ist mit 77 % „Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“
  • die Sanktionierungen „Fahrverbot“ und „Fahrerlaubnisentzug“ weisen nur bei Delikten zur Verkehrstüchtigkeit (Alkohol, Drogen) einen nennenswerten Anteil auf
  • die Delikte zur Verkehrstüchtigkeit werden deutlich härter bestraft als Delikte während der Verkehrsteilnahme (z. B. Geschwindigkeitsmissachtung)
  • nur bei Alkoholunfällen lässt sich ein schwacher Zusammenhang zwischen Unfallgeschehen und Sanktionierung feststellen.

Juristische Bewertung

Das bedeutendste Regelwerk für den Straßenverkehr ist die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), weitere Regeln für das Verhalten finden sich im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und im Strafgesetzbuch (StGB).

Die deutsche Gesetzeslage sieht eine Ahndung von Verkehrsdelikten nach dem Ordnungswidrigkeiten- oder dem Strafrecht vor, mit und ohne Nebenstrafen wie z. B. Fahrverboten. Dabei werden die meisten Verkehrsverstöße als Ordnungswidrigkeiten verfolgt. Der Staat ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit verpflichtet. Verfassungsrechtlich geboten ist es demnach auch, die Einhaltung der Verkehrsregeln zu überwachen und im Sinne einer Generalprävention Verkehrsverstöße zu sanktionieren. Die staatlichen Stellen sind bei der Erfüllung dieser Pflicht durchaus erfolgreich. Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung der Situation sind vom Grundgesetz her geboten.

Repräsentative Befragung

  • Eine deutliche Mehrheit der 1.009 Befragten akzeptiert die zum Zeitpunkt der Studie geltenden Regeln zu Geschwindigkeit und dem Verhalten an Ampeln und hält Übertretungen zumindest für bedenklich. Dennoch würde etwa ein Drittel der Befragten mit hoher Wahrscheinlichkeit dagegen verstoßen.
  • Die zum Zeitpunkt der Studie geltende Regelung zu Alkoholfahrten wird von 41 Prozent der Befragten befürwortet, 93 Prozent halten ein Zuwiderhandeln für auf keinen Fall vertretbar oder zumindest für bedenklich und nur knapp vier Prozent würden dennoch unter Alkoholeinfluss Auto fahren. Knapp die Hälfte der Befragten (47 %) sprach sich sogar für ein absolutes Alkoholverbot am Steuer aus.
  • Einen Regelverstoß begünstigen fest verankerte Gewohnheiten und situative Faktoren (in Eile sein, breite Straße,…).
  • Die persönliche Einstellung  gegenüber den Verkehrsregeln ist für die Befolgung der zulässigen Geschwindigkeit und des Rotlichts von großer Bedeutung. Beim Thema Alkohol am Steuer spielt sie eine untergeordnete Rolle, da die Trennung von Alkoholkonsum und Auto fahren bereits gesellschaftlicher Konsens ist.
  • Die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit „erwischt“ zu werden spielt für Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße keine Rolle, im Gegensatz zu Alkoholdelikten.
  • Andere Einflussfaktoren wie die Risikowahrnehmung, die wahrgenommene Strafhärte oder die Akzeptanz der Verkehrsregeln spielen für die Entscheidung der Verkehrsteilnehmer eine untergeordnete Rolle.

Fazit

Die Deliktprävention im Sinne der Erhöhung der Verkehrssicherheit für alle sollte sich auf die fünf wesentlichen Unfallursachen konzentrieren.

Für Geschwindigkeits- und Rotlichtverstöße kann die Erhöhung der Strafe und der Entdeckungswahrscheinlichkeit durch die Polizei Erfolge zeigen. Auch kann eine entsprechende Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur und neuen Technologien wie z. B. Intelligent Speed Adaptation helfen, diese Verstöße zu minimieren.

Das Fahren unter Alkohol ist ein Problem für eine spezielle Gruppe von Verkehrsteilnehmer. Hier gilt es, stärker mittels psychologischer Interventionen einzuwirken. Die Einführung eines gesetzlichen Alkoholverbots am Steuer sowie der Einsatz technischer Hilfsmittel (Alkohol-Interlocks) können unterstützend wirken.

Für das zum Zeitpunkt der Studie gültige Sanktionssystem konnte keine belastbare Korrespondenz zum realen Unfallgeschehen festgestellt werden. Eine Studie des Kraftfahrtbundesamtes aus 2004 kam zu der Erkenntnis, dass die Anzahl der Eintragungen im VZR ein verlässlicher Indikator für ein erhöhtes Verkehrsrisiko ist, nicht aber die Punktezahl. Aus Sicht der Verkehrssicherheit sollte demnach das zum Zeitpunkt der Studie gültige Punktesystem durch ein Sanktionssystem abgelöst werden, das sowohl das Unfallgeschehen als auch das Verkehrsrisiko deutlich besser abbildet.

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