Maßnahmen zur Reduzierung von Straßenbahnunfällen
In deutschen Städten ist die Anzahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden und der dabei Getöteten und Verletzten in den letzten Jahren rückläufig.
Diese positive Entwicklung lässt sich aber nicht auf Unfälle mit Straßenbahnbeteiligung übertragen. Die absolute Anzahl der Straßenbahnunfälle und der dabei Verunglückten stagniert seit Jahren.
Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hat in Kooperation mit der Bauhaus Universität Weimar erstmals für Deutschland eine umfassende Untersuchung auf Basis von etwa 4.100 Straßenbahnunfällen aus 58 deutschen Städten im Zeitraum 2009 bis 2011 durchgeführt. Ziel des Forschungsvorhabens war es herauszufinden, wie, wo und wann die verschiedenen Verkehrsteilnehmergruppen in Unfällen mit Straßenbahnen verwickelt sind, welche Folgen sie haben und welche Maßnahmen dagegen helfen können.
Demnach sind etwa Dreiviertel der getöteten Verkehrsteilnehmer bei Unfällen mit Straßenbahnbeteiligung Fußgänger. Etwa 16 Prozent sind Radfahrer. Fußgänger stellen mit 37 Prozent auch den weitaus größten Anteil der Schwerverletzten dar, gefolgt von Insassen in Pkw (28 Prozent) sowie Radfahrern (15 Prozent). Bei den wenigsten Unfällen (16 Prozent) ist die Straßenbahn Hauptverursacher, die meisten werden durch Pkw verursacht (45 Prozent), überwiegend an Knotenpunkten. Fußgänger verursachen etwa jeden fünften Straßenbahnunfall mit Personenschaden (22 Prozent).
Die Mehrzahl der Straßenbahnunfälle mit Personenschaden ereignet sich in Knotenpunkten und deren direktem Einflussbereich von bis zu 50 Metern (86 Prozent).
Straßenbahnunfälle sind insgesamt deutlich schwerer als Unfälle mit Pkw und Bussen. Zur Beurteilung der Sicherheit wurde das Unfallgeschehen in Relation zur Fahrleistung und zur Beförderungsleistung gesetzt. Die Unfallkostenrate bei Straßenbahnen ist bezogen auf die Fahrleistung im Vergleich zu Pkw um das Achtfache höher, bezogen auf die Beförderungsleistung beträgt sie jedoch nur ein Fünftel. Wird jedoch nur die Anzahl der Getöteten betrachtet, dann ist die Straßenbahn auch hinsichtlich Beförderungsleistung nicht besser als der Pkw und hinsichtlich Fahrleistung sogar 35-mal unsicherer.
Bei der durchgeführten Netzanalyse zeigten sich Bahnkörper in Mittellage deutlich unsicher, als Bahnköper in Seitenlage oder unabhängige Bahnkörper. Die höchste Unfallkostenrate haben drei- bzw. vierstreifige Querschnitte mit besonderem Bahnkörper in Mittellage. Auffällig bei den besonderen Bahnkörpern allgemein ist die überproportionale Anzahl an Fußgängern als Hauptverursacher.
Aus den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich folgende Empfehlungen ableiten:
- Bei Neu-/Um- und Ausbau sollte eine Führung in Seitenlage bevorzugt werden. Dort wo ausreichend Fläche vorhanden ist, sollte der unabhängige Bahnkörper bevorzugt werden. Nur wenn dies nicht möglich ist, sollte eine Führung in Mittellage geprüft werden. Dabei sind dann insbesondere die Knotenpunktbereiche hinsichtlich Verkehrssicherheit sehr sorgfältig zu planen.
- An Knotenpunkten ist auf eine gut erkennbare Straßenbahnführung, ausreichende und gesicherte Überquerungsstellen für Fußgänger und auf gesicherte Führung abbiegender Kraftfahrzeuge zu achten. Der Kreuzungsbereich und auch die angrenzenden Seitenräume sind von Sichthindernissen und möglichst auch von harten Hindernissen freizuhalten, gegen die im Falle einer Kollision Fahrzeuge gedrückt werden könnten.
- An bestehenden Straßen mit Straßenbahngleisen sind gesicherte Überquerungsmöglichkeiten für Fußgänger dort nachzurüsten, wo oft einzelne oder Gruppen von Fußgängern auftreten oder es vermehrt zu kritischen Situationen oder Unfällen beim Überqueren kommt. Welche Sicherungsarten sich dafür besonders eignen, wird derzeit in einem Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Straßenwesen untersucht.
- Das Wenden und Abbiegen von Kraftfahrzeugen ist möglichst signaltechnisch gegenüber der Straßenbahn zu sichern oder baulich bzw. verkehrstechnisch zu unterbinden.
- Straßenbahnen sollten an signalisierten Knotenpunkten gesonderte Phasen erhalten (konfliktfreie Führung).
- Es sollten grundsätzlich Sicherheitsaudits bei der Neu-/Um- oder Ausbauplanung von Verkehrsanlagen mit Straßenbahnbetrieb durchgeführt werden. Auch für den Bestand empfehlen sich Audits, um bestehende potenzielle Sicher-heitsdefizite zu erkennen und zu beseitigen, insbesondere wenn es sich um Unfallhäufungsstellen handelt. Hierfür wurde im Rahmen des Projekts eine spezifische Checkliste entwickelt. Diese Checkliste kann auch Verkehrsbetriebe oder Unfallgutachter bei der Analyse von Unfällen unterstützen.
Neben den infrastrukturellen Maßnahmen sollten Möglichkeiten zur Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit von Straßenbahnfahrzeugen und zur Beeinflussung des Verkehrsverhaltens erforscht werden. Dazu gehört z. B. die automatische Erkennung von Konfliktsituationen durch kreuzende Verkehrsteilnehmer, die verbunden sein könnte mit einer automatisierten Warnung an den Fahrer oder auch an andere Verkehrsteilnehmer durch Klingelzeichen. Eine weitere Verbesserung könnte durch energieabsorbierende Frontseiten von Straßenbahnen erzielt werden. Darüber hinaus sollten zielgruppen- und ortspezifische Kampagnen zur Sensibilisierung aller Verkehrsteilnehmer entwickelt werden.
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