Ablenkung durch Informations- und Kommunikationssysteme
Mittels einer Metaanalyse hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) den gegenwärtigen Forschungsstand zur Ablenkungswirkung von Informations- und Kommunikationssystemen (IKS) zusammengefasst und bewertet.
In einem ersten Schritt wurden derzeit im Pkw verfügbare und häufig genutzte IKS identifiziert. Das sind Navigationssysteme, Klimaanlage, Audio- und Telefoneinrichtungen. Im zweiten Schritt wurden empirische Studien zur Ablenkungswirkung dieser Systeme gesichtet.
Um die Ablenkungswirkung der Nutzung von IKS während der Fahrt mit und ohne Unfall zu vergleichen, wären Fall-Kontrollstudien am besten geeignet. Solche Studien sind derzeit nicht verfügbar. Aus diesem Grund wird auf Fahrsimulatorstudien ausgewichen. Hier werden die Teilnehmer in simulierten Fahrsituationen aufgefordert, sich mit IKS zu beschäftigen. Dabei wird der Fahrer in der Regel gebeten, sich so stark wie möglich auf die IKS Nutzung zu konzentrieren, ohne dabei die Fahraufgabe zu vernachlässigen. Das Ergebnis wird mit einer Fahrt oder einer Kontrollgruppe ohne IKS-Nutzung verglichen.
Ergebnisse der Metaanalyse
- Die deutlichste Beeinträchtigung des Fahrverhaltens findet sich beim Lesen und Schreiben von SMS. Hier muss der Fahrer auf das Mobilgerät schauen und es gleichzeitig mit der Hand bedienen. Diese Aufgabe lässt sich schlecht unterbrechen, da längere Sinneinheiten produziert bzw. aufgenommen werden. Das geht mit relativ langen Blickabwendungen von der Straße und einer hohen kognitiven Beanspruchung einher.
- Die Bedienung des Navigationssystems und das Telefonieren selbst, die Suche von Titeln im Musikplayer sowie das Senden von SMS zeigen eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens im mittleren Bereich. Diese Aufgaben sind in einer kürzeren Zeitspanne zu bewältigen, lassen sich eher unterbrechen und sind kognitiv einfacher. Beim Telefonieren selbst entfällt zwar die Blickabwendung von der Straße, jedoch scheint die kognitve Beanspruchung relativ hoch zu sein.
- Relativ wenig Beeinträchtigung zeigt das Einstellen von Sendern am Radio als auch das Empfangen von SMS (ohne sie zu lesen). Diese Tätigkeiten sind kognitiv wenig anspruchsvoll, gehen aber mit kurzen Blickabwendungen von der Straße einher.
Fazit der UDV aus der Studie
- Der gegenwärtige Stand der Forschung zeigt übereinstimmend, dass die Nutzung von Textnachrichten während des Fahrens am stärksten von der eigentlichen Fahraufgabe ablenkt. Allerdings wurden die Fahrer in den bisherigen Studien in der Regel gebeten, sich so stark wie möglich auf die Textnachrichten zu konzentrieren ohne die Fahraufgabe zu vernachlässigen. Unklar ist bisher, ob und wie Fahrer die Nutzung von Textnachrichten oder gegebenenfalls ihr eigenes Fahrverhalten an die aktuelle Verkehrssituation anpassen, um eine Ablenkung und eine mögliche Gefährdung zu reduzieren. Diesen Fragen sollten zukünftige Studien nachgehen.
- Die vergleichsweise geringe Ablenkung des Bordcomputers und aktuelle Entwicklungen bei der Gestaltung der Eingabemöglichkeiten im Fahrzeug zeigen, dass die Bemühungen der Fahrzeugindustrie um eine benutzerfreundliche Gestaltung der Mensch-Maschine Schnittstelle erfolgreich sind. Daher ist die Industrie aufgefordert, optimierte Schnittstellen auch für die Einbindung von mobilen Endgeräten in die Fahrzeugoberfläche anzubieten und gegebenenfalls die Nutzung von nicht eingebundenen Endgeräten im Fahrzeug durch technische Vorkehrungen zu unterbinden.
- Bis das hoch- oder vollautomatisierte Fahren im Verkehr Alltag wird, sind noch grundlegende technische und rechtliche Probleme zu lösen. Da diese Fahrzeuge mittel- bis langfristig nur einen geringen Teil der Fahrzeugflotte ausmachen werden und auch mittelfristig nur einen sehr geringen Anteil der Fahrzeit tatsächlich autonom fahren werden (z. B. auf der Autobahn), wird die Nutzung mobiler Endgeräte den Fahrer in der verbleibenden Zeit bzw. in den herkömmlichen Fahrzeugen ebenso von der eigentlichen Fahraufgabe ablenken, wie das der gegenwärtige Forschungstand verdeutlicht.