Blog
Blog

Smart­phone-Nut­zung im Auto – Pro­blem ohne Lösung

Die Nutzung von Smartphones oder gar Tablets beim Fahren stellt nach Auffassung aller Experten ein zunehmendes Problem dar, auf das vielleicht sogar die unbefriedigende Entwicklung bei den Unfällen mit Verletzten und Getöteten maßgeblich zurückgeführt werden kann.

Wie groß das Problem allerdings genau ist, bleibt weiter unklar. Wir sind nicht im Fahrzeug dabei. Wer durch Ablenkung einen Unfall verursacht, wird sich kaum selbst bezichtigen. Wissenschaftliche Untersuchungen sind aufwendig und methodisch schwierig.

Zeigen konnten wir in Simulatorstudien bereits, dass weniger das Telefonieren, als vielmehr das Lesen und Schreiben von Textnachrichten das Problem darstellen. Dabei sind sich die meisten Verkehrsteilnehmer der Gefahren durchaus bewusst: In unserer Verkehrsklimastudie schätzten 73 Prozent der Befragten das Lesen  und 86 Prozent das Schreiben von Textnachrichten als gefährlich ein. Die Crux scheint indes zu sein, dass sie meistens glauben, das Geschehen kontrollieren zu können. Dabei ist der übliche Ablauf ja nicht die längere Blickabwendung, sondern das Hin-und Herspringen des Blicks eher für eine Sekunde oder weniger. Man glaubt, das Verkehrsgeschehen vor sich für diese kurze Zeit antizipieren zu können.

Und tatsächlich klappt das auch meistens. Aber eben nicht immer, weil sich unser hochkomplexes Verkehrsgeschehen nur begrenzt vorhersagen lässt. Daher verwundert es nicht, dass jetzt eine amerikanische Studie mittels Fahrerbeobachtung (sogenannte Naturalistic Driving Study) valide zeigen konnte, dass sich das Risiko beim Texten für den Beinahe-Auffahrunfall um das Siebenfache und für den tatsächlichen Auffahrunfall um das 3,5fache erhöht.

Wir alle sind also aufgefordert gegenzusteuern, umso mehr, da die „Digital Natives“ ja gerade erst in das Führerscheinalter kommen und das Problem also eher zunehmen wird. Aber was genau ist Erfolg versprechend? Der erste Reflex bei Politikern und auch bei Bürgerinnen und Bürgern: Bußgelder erhöhen. In einer DVR-Befragung wurde dies von 51 Prozent der Befragten für die wirkungsvollste Maßnahme gehalten.

Ich teile diese Meinung nicht. Wenn wir mal davon ausgehen, dass die Bundesregierung endlich (schon 2015 hat der Deutsche Verkehrsgerichtstag dazu aufgefordert und er wird es 2017 wieder tun) den veralteten „Handy-Paragraphen“ so wasserdicht gestaltet, dass überhaupt alle Arten der Nutzung von Kommunikationseinrichtungen geahndet werden können, kostet ein Verstoß 60 Euro und einen Punkt in Flensburg. Da das ganze System ja auch im Verhältnis untereinander stimmen muss, schauen wir uns mal zum Vergleich Geschwindigkeitsverstöße an, die mit Sicherheit nicht ungefährlicher sind. Da kostet eine Überschreitung um 20 km/h innerorts gerade mal 35 Euro (ohne Punkt). Natürlich sind wir uns einig, dass das auch im internationalen Vergleich (zu) wenig ist. Gleichwohl entfaltet das System insofern Wirkung, als im Stadtverkehr selbst unkontrolliert in den meisten Fällen Geschwindigkeiten unter 60 km/h gefahren werden. Offenbar sind also auch schon 35 Euro eine hinreichende Abschreckung.

Beim Smartphone klappt das aus zwei Gründen nicht, die wir jeweils nur wenig beeinflussen können: Zum einen ist die Entdeckungswahrscheinlichkeit sehr, sehr gering. Kann man das Handy am Ohr wenigstens noch beobachten, ist das Texten kaum noch nachweisbar. Mehr polizeiliches Personal, das ohnehin nicht vorhanden ist, bringt also auch nichts. Zum anderen vergleiche ich das Lesen und Schreiben von Nachrichten gerne mit einer Sucht. Viele von uns, leider auch die Älteren, sind nicht mehr in der Lage auszuhalten, dass man eine eingetroffene Nachricht nicht sofort lesen und beantworten kann. Versuche im Labor zeigen auch dem Entzug der Droge ähnliche Symptome bei erzwungener Kommunikationsabstinenz, wie feuchte Hände oder zunehmende Unruhe.

Eine Strafverschärfung würde also nicht viel bringen, jedenfalls nicht innerhalb der im Gesamtsystem vorstellbaren Summen. Aufklärung wird auch nicht viel bringen: Die Gefahr ist ja bereits, siehe oben, weitgehend bekannt. Aber entweder bezieht man sie nicht auf sich persönlich oder man kann einfach nicht anders. Es bringt ja auch nichts einem Süchtigen die Gefahren seiner Droge zu erklären. Bleiben eigentlich nur technische Maßnahmen: In einem ersten Schritt muss es via Einbindung in die Fahrzeugelektronik möglich sein, Nachrichten  zu sprechen bzw. vorlesen zu lassen. Besser wäre natürlich, das Texting ganz zu unterbinden. Wie das möglich sein soll, ohne dass auch Mitfahrer betroffen sind, erschließt sich mir allerdings noch nicht.

Was wir tun können, Sicherstellung von Mobilgeräten im Fall eines Unfalls, Aufklärung, technische Maßnahmen, meinethalben auch Strafverschärfung, sollten wir  der Größe des Problems wegen versuchen. Aber zum ersten Mal in den vielen Jahren meiner Verkehrssicherheitsarbeit bin ich skeptisch, ob wir damit das Problem in den Griff bekommen. Und zum ersten Mal auch ratlos. Deshalb würde ich mich über konkrete neue Vorschläge freuen.

Zur Startseite