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Füh­ren auto­ma­ti­sierte Fahr­zeuge zu einem „Bad Aib­ling“ auf der Straße?

Nun ist er wegen fahrlässiger Tötung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, der Fahrdienstleiter, der zwei Züge auf einer eingleisigen Strecke gegeneinander fahren ließ.

Erwiesen ist, dass er bis kurz vor dem Unglück intensiv ein Aufmerksamkeit erforderndes Spiel auf seinem Smartphone gespielt hat. Bis dahin hatte ich angenommen, dass Menschen in kritischen Situationen durchaus die Wichtigkeit von Reizen selektieren können und im Zweifel dann das Spiel weglegen.

Was hat das mit dem Thema Straßenverkehrssicherheit zu tun? Zunächst haben wir ja auch hier immer stärker mit dem Problem Ablenkung als Unfallursache zu tun, ohne dass wir das bisher hinreichend quantifizieren können. So finden sich in der Forschung einige Befragungsstudien, die auf den regen Gebrauch von Handys hinweisen, aber auch die Vermutung, dass - vor allem beim Telefonieren - das Gehirn bei Gefahr die richtigen Prioritäten setzt. Was heißen würde, dass wir aus der Exposition (wie oft wird während der Fahrt telefoniert) nicht linear auf die Gefährdung schließen können.

Im Rahmen einer Simulatorstudie zum automatisierten Fahren hatten wir allerdings als ein Szenario tatsächlich auch das Spiel am Tablet. Hier war klar erkennbar, dass neben dem aufwendigen, zeitraubenden Akt des Weglegens auch das Problem bestand, dass der Spieler sich nur schwer aus dem – vielleicht gerade in diesem Moment in einer entscheidenden Phase befindlichen – Spiel verabschieden kann. Ganz ähnlich muss das bei dem verantwortlichen Fahrdienstleiter gewesen sein.

Die Situation im Stellwerk und in einem später einmal automatierten Fahrzeug ähneln sich. Der Fahrdienstleiter muss ja einen monotonen Dienst verrichten, in dem er weitgehend nur noch überwachende Aufgaben hat. Tatsächlich ist ein solcher Mensch beinahe gezwungen, andere Dinge zu machen, die seine Aufmerksamkeit beanspruchen und die Monotonie mildern. Genau so muss man sich auch die Aufgaben eines Fahrers solcher Kraftfahrzeuge vorstellen. Auch dieser wird sich anderen Aufgaben zuwenden, um Langeweile und Müdigkeit zu bekämpfen. Je nachdem, welche gesetzliche Regelung letztlich kommt, darf er das dann sogar.

Die Frage ist nur: Kann er das auch? Ist der Mensch als bloße Kontrollebene einer ansonsten allein arbeitenden Technik überhaupt geeignet? Werden wir in absehbarer Zeit schwere Unfälle haben, weil der Fahrer noch schnell sein Spiel zu Ende spielen muss? Die Automobilhersteller denken bisher nur an den Fall, dass der Fahrer der Übernahmeaufforderung gar nicht folgt. Dann wird das Fahrzeug in einen „risikominimalen“ Zustand gebracht, was auch immer das in der konkreten Situation heißen mag. Der Fahrdienstleiter hat aber mehrfach reagiert und den „Vorschlag“ der Sicherungstechnik überstimmt.

Auf diesen Fall haben wir beim automatisierten Fahren bisher keine Antwort. Der Fahrer hat das letzte Wort, und mag es auch noch so falsch sein. Wird es bald auch den ersten Autofahrer oder Lkw-Fahrer geben, der, weil er im automatisierten Modus oder unmittelbar nach dessen Abschaltung falsch reagiert hat, wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wird? Vermutlich ja, wenn wir ein solches begünstigendes Systemdesign zulassen. Die Autohersteller sollten daher nach Bad Aibling schauen und daraus lernen.

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