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Keine Soli­da­ri­tät mit Rasern

Kürzlich las ich unter den Polizeimeldungen in der Zeitung: „Raserrekord: Mit 207 über die A 100“. Für alle Nichtberliner: Das ist die auf 80 km/h begrenzte Stadtautobahn, hier aber, wie weiter der Meldung zu entnehmen war, nicht der Ring selbst, sondern eine Art Wurmfortsatz, der schnurgerade ist und auf dem nachts wenig Verkehr herrscht.

Hier stellen sich diverse Fragen, da man subjektiv in diesem Bereich durchaus den Eindruck gewinnen kann, dass die Gefährdung Anderer sich im Rahmen hält: Ist das die berühmte Abzocke und Wegelagerei der Polizei? Also mithin der Raser gar kein Schurke, sondern Opfer? Weitere Frage: Wie hätte sich Weltmeistertrainer Löw hier verhalten? Der ist ja nach eigenem Bekunden auch meistens nachts auf wenig befahrenen Autobahnen zu schnell gefahren und hat, nach eigenem Eindruck, nie und nimmer jemanden gefährdet. Das Kunststück hat er aber immerhin regelmäßig fertig gebracht, denn bei einer Entdeckungswahrscheinlichkeit von 1 : 700  ist es ja gar nicht so einfach, 18 Punkte (im alten System) in überschaubarem Zeitraum zu sammeln. Ja, und warum empfindet laut Meinungsumfrage die Mehrheit der Deutschen die Gesetzesverstöße von Herrn Löw als „Kavaliersdelikt“? Und ist dann die Verfehlung (übrigens laut Polizei nicht die Erste dieser Art) des 19-jährigen Täters im Fall der kleinen Meldung auch ein „Kavaliersdelikt“?

Aus meiner Sicht jedenfalls nicht. Als Straßenbenutzer weiß man ja über die konkreten Gefahren eines Abschnitts und die Unfallhäufigkeit in der Regel gar nichts und das subjektive Urteil muss nicht der Realität entsprechen, ganz abgesehen von völlig unvorhergesehenen Ereignissen. Deshalb kann man eben nicht selbst entscheiden, wo man wie schnell fahren kann. Ich vermag auch nicht einzusehen, warum gravierende Gesetzesverstöße (denn nur für die gibt es Punkte) im Straßenverkehr offenbar von der Mehrheit der Gesellschaft großzügiger toleriert werden, als in anderen Rechts- und Gesellschaftsbereichen. Es ist ja durchaus nicht so, dass, wie der Herr Bierhoff in so unfassbarer Weise formuliert hat, so etwas jedem mal passieren kann. Im Gegenteil zeigen unsere Untersuchungen, dass die Zahl der Geschwindigkeitsübertretungen, die zu Punkten führen, sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich bewegen. Die meisten halten sich also an die Geschwindigkeitsbegrenzungen und fühlen sich eher von den Schnellfahrern ge- und bedrängt.

Woher also diese Solidarität? Nur wenn diejenigen (und das ist auch eine Mehrheit), die sich regelmäßig über die verrohenden Sitten im Verkehr beklagen, den Rasern ihre Zustimmung entziehen, kann sich meiner Meinung nach etwas ändern. Oder?

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