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Fuß­gän­ger: Helle Klei­dung in der dunklen Jah­res­zeit

In den dunklen Monaten Oktober bis März werden konstant in jedem Jahr erheblich mehr Fußgänger im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt, als im Rest des Jahres.

Da Autofahrer sich in diesen Monaten nicht grundsätzlich anders verhalten, sogar ( z. B. bei schneebedeckter Fahrbahn) eher langsamer fahren, liegt ein Zusammenhang mit der Sichtbarkeit der Fußgänger nahe. Deshalb haben wir empfohlen, das zu bedenken und sich als Fußgänger jedenfalls nicht komplett dunkel zu kleiden oder Kleidung mit Reflexstreifen zu bevorzugen.

Für diese Empfehlung habe ich in den sozialen Medien vereinzelte, teils massive Kritik erfahren, mit der man sich auseinandersetzen muss. Da wäre zunächst der fehlende Hinweis darauf, dass natürlich vor allem der Autofahrer seine Fahrweise der dunklen Jahreszeit anpassen muss und verstärkt auf vielleicht schlecht sichtbare Fußgänger achten sollte. Die Kritik an diesem fehlenden Hinweis ist berechtigt. Wir hätten ihn geben sollen, haben es aber unterlassen, weil wir glauben, dass der Appell nichts nützt (was sicher traurig ist) und deshalb nichts zum Sicherheitsgewinn von Fußgängern beiträgt. Das ist eben der Unterschied zwischen politischen Grundsatzdebatten und konkret lebensverlängernden Hinweisen. Warum nützt der Appell nichts? Autofahrer werden nicht a priori, nur weil es dunkel ist, ihre Fahrweise so anpassen, dass sie auch rechtzeitig bremsen könnten, wenn sie den Fußgänger gar nicht vorher gesehen haben. Ob sich eine angepasste Fahrweise auch auf Gefahren beziehen muss, die nicht konkret, sondern nur abstrakt vorhanden sind, wäre im Einzelfall eine interessante juristische Frage. Zu rechnen ist mit einem solchen Verhalten jedenfalls nicht.

Ein anderer, viel grundsätzlicher Vorwurf bezieht sich darauf, dass wir hier die Verkehrsopfer zu Mitschuldigen ihres Unfalls machen könnten. Auch das muss man durchaus diskutieren. Um es zunächst klar zu sagen, nichts liegt mir ferner, und zwar sowohl moralisch als auch juristisch gesehen. Wie weit geht aber dieses Argument: Soll ich jetzt aus den gleichen Erwägungen heraus Fußgängern, die bei Grün eine Straße überqueren, nicht mehr raten, darauf zu achten, ob ein abbiegender Autofahrer sie wahrgenommen hat? Gleiche Frage für Radfahrer in ähnlicher Situation und gleiche Frage für viele andere Situationen, in denen mögliches Fehlverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers zu ernsten gesundheitlichen Folgen für mich führen kann.

Deshalb bleibe ich dabei: Man mag darüber diskutieren, wie eine ideale Verkehrswelt aussehen könnte. Nach Meinung meiner Kritiker gibt es da vermutlich gar keine Autos mehr. Aber wir haben keine ideale Welt und unsere Hinweise richten sich zunächst einmal darauf, in dieser Welt unverletzt zu bleiben. Alles andere halte ich für zynisch.


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