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Ein­mi­schen oder nicht?

Neulich in der Tiefgarage werde ich von zwei laut streitenden Menschen angelockt, nachdem ich mein Auto eingeparkt hatte. Relativ schnell erschloss sich der Grund des Streits: Ein Mann machte einer offensichtlich im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte befindlichen jüngeren Dame Vorwürfe, weil die sich auf den Behindertenparkplatz gestellt hatte.

Die Lautstärke der Debatte hätte mir Warnung genug sein müssen, mich da herauszuhalten.  Aber  als die Frau den Mann aufgeregt fragt, warum er sie nicht in Ruhe lasse, antworte ich leichtsinnigerweise: „Ganz einfach, stellen Sie sich nicht auf den Behindertenparkplatz!“

Brauchen wir Regeln?

Einschub: Warum berichte ich das hier, wo doch ein Parkplatzstreit eher geringe Relevanz für die Verkehrssicherheit hat? Weil es nicht um den Parkplatz geht, sondern um das dahinter liegende Handlungsprinzip (siehe auch meinen Blogbeitrag „Wie ernst wollen wir die StVO nehmen“). Offenbar ist vielen Zeitgenossen ein einfacher Sachverhalt nicht verständlich: Behindertenparkplätze und Busspuren sind nicht frei, weil alle anderen zu blöd sind, sondern weil sie den Zweck respektieren.

Wir brauchen Regeln und deren Befolgung, um Unfälle zu vermeiden und um Schwächere gegen Stärkere zu schützen.

Zurück zur Geschichte: Die Dame hat mich nun sofort als Gegner angenommen, was der den Streit auslösende Herr zum eleganten Rückzug genutzt hat. Das war aber durchaus lohnenswert für mich, weil ich dabei erstmals verstanden habe, wie man es auch sehen kann. Das Hauptargument lautete nämlich folgendermaßen: „Das mache ich doch auf eigenes Risiko, den Strafzettel müsste ich ja selbst zahlen.“

Wir sind der Staat, oder?

Das ist interessant, weil es ein besonderes Staatsverständnis offenbart: Die Grenze der persönlichen Freiheit ist erst erreicht, wenn ich erwischt werde. Der Staat (und in seinem Namen die Polizei) als Organismus, der meine Freiheit einschränkt auf der einen Seite und lauter Individuen auf der anderen Seite. Dann kann man natürlich nicht verstehen, wenn sich jemand einmischt. Man steht doch scheinbar auf derselben Seite.

Ich hatte das immer anders gesehen:  Der Staat sind wir. Wir haben uns Gesetze gegeben und sind interessiert, dass sie eingehalten werden.

Ich habe es übrigens dann aufgegeben und mich, begleitet von weiterem Gezeter, zurückgezogen. Wie sehen Sie das? Hat die Dame Recht? Und, selbst wenn man es sieht wie ich: Soll man sich einmischen?

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