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„Bro­ken Win­dows“ auch im Stra­ßen­ver­kehr?

Die Broken-Windows-Theorie (englisch für „Theorie der zerbrochenen Fenster“) bezeichnet ein in den USA entwickeltes Konzept, das beschreibt, wie ein vergleichsweise harmloses Phänomen, beispielsweise ein zerbrochenes Fenster in einem leer stehenden Haus, später zu völliger Verwahrlosung führen kann. Die Theorie bildet das Fundament der sogenannten Nulltoleranzstrategie (zitiert nach Wikipedia).

Die Theorie bildet das Fundament der sogenannten Nulltoleranzstrategie (zitiert nach Wikipedia).

Nun ist die Theorie unter verschiedenen Aspekten kritisiert worden, vor allem, wenn man versucht, soziologische Prozesse damit umfassend zu erklären. Im Straßenverkehr scheint sie mir aber weitgehend zuzutreffen. Wenn ich aus meinem Bürofenster schaue, sehe ich einen breiten Mittelstreifen zwischen zwei Richtungsfahrbahnen der mit Bordsteinen deutlich abgegrenzt und eindeutig als Fußgängerfläche zu erkennen ist. Deshalb hat da in der Vergangenheit auch selten ein Auto gestanden (einige Unempfindliche gibt es leider immer). In den letzten Wochen konnte man dann gut beobachten, dass unter baustellenbedingt zunehmendem Parkdruck zuerst ein Fahrzeug dort dauerhaft stand, dann aber sehr rasch weitere Fahrzeuge dazu kamen. Schließlich war alles so zugeparkt, dass man nur noch schwer – und schon gar nicht ohne Sichtbehinderung – die Straßenseite wechseln konnte.

Die gleiche Beobachtung mache ich regelmäßig an einem auf der Fahrbahn befindlichen Radfahrstreifen, der gern als zusätzlicher Parkraum benutzt wird. Ein einziger dort abgestellter Pkw animiert umgehend weitere, den zur Verfügung stehenden Parkraum zu erweitern.

Diese Reihe könnte ich jetzt beliebig fortsetzen und wenn diese Beobachtungen mit der Broken-Windows-Theorie zu erklären sind, und zwar nicht nur im ruhenden sondern vor allem auch im fließenden Verkehr, dann muss sich in der Überwachung etwas ändern. Offenbar gehen viele Verkehrsteilnehmer mit der StVO nach dem Pubertätsmotto um „mal sehen, wie weit ich gehen kann“ oder, noch schlimmer, was der Staat nicht sanktioniert, ist er bereit zu tolerieren.

Das heißt aber, dass die Aufgabe des Legalitätsprinzips zugunsten des Opportunitätsprinzips in dem Maße, in dem sie inzwischen die Regel ist, frei nach „Broken Windows“ in einer schwer beherrschbaren Spirale münden wird. Und genau das sieht man meines Erachtens auch bereits: Das jahrelange Zulassen von bestimmten Delikten unter dem Druck von Aufgabenfülle und Personalknappheit bei der Polizei hat gravierenden Einfluss auf das Verhalten der einzelnen Verkehrsteilnehmer. Es hat auch Auswirkungen auf das direkte Verhalten gegenüber der Polizei und auf die zunehmende Aggressivität gegenüber kontrollierenden Polizisten.

Dabei sind aber durchaus Unterschiede zwischen den Bundesländern und auch zwischen Präsidien festzustellen: In manchen Gegenden muss immer mit Kontrollen gerechnet werden, in anderen kommt die Besatzung nur bei unabweisbarer Notwendigkeit aus ihrem Streifenwagen. Ich meine, wir brauchen wieder mehr Legalität und weniger Opportunität. Das braucht natürlich mehr Personal, aber, an die Gewerkschaften, nicht als Alibi für alles. Auch das vorhandene Personal könnte manchmal mehr tun. Noch ein Wort in diesem Zusammenhang zum „Blitzer-Marathon“: Welches Ziel wurde denn hier erreicht? Außer, dass gleich am nächsten Tag jedem klar wird, wie weit wir uns vom Legalitätsprinzip entfernt haben. Langsamer oder rücksichtsvoller gefahren wird jedenfalls nicht.

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