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Radwege: Benutzungspflicht abschaffen?
Brandenburg schaut sich alle Radwege genau daraufhin an, ob sie weiterhin einer Benutzungspflicht unterliegen sollen. So hat die Landesregierung im Parlament auf eine Anfrage hin geantwortet. Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2010. Danach sind an die Ausweisung eines Radwegs mit den Verkehrszeichen 237, 240 oder 241 (Radweg, gemeinsamer Fuß-/Radweg, getrennter Fuß-/Radweg), die eine Benutzung vorschreiben, sehr strenge Vorgaben zu machen.
Soweit die Fakten. Damit hat ein Gericht den vorläufigen Schlusspunkt unter eine Debatte gesetzt, die seit Jahren von Radfahrerorganisationen und Verkehrssicherheitsexperten geführt wird: Ist es sicherer, den Radverkehr auf der Fahrbahn (und damit für Autofahrer sichtbar) zu führen oder sollen die Verkehrsarten deutlich getrennt werden? Ich persönlich neige (im Stadtverkehr, nicht auf Landstraßen) stark der ersteren Meinung zu, zumal der Radweg ja nur Auto- und Radverkehr trennt, nicht aber Fußgänger und Radfahrer. Weitere Probleme mit Radwegen: Schlechter Zustand durch mangelnde Räumung im Winter, unebene Oberfläche durch Wurzelwerk und falsche Führung an Kreuzungen bzw. zugeparkte Sichtbeziehungen.
Radwege dürfen nicht verkommen
Bei verständiger Prüfung sollte also die Behörde in den meisten Fällen dazu kommen, dass nach den Vorgaben des Gerichts der Radweg jedenfalls nicht die gebotene Variante ist und wird die Schilder entfernen. Das darf aber keinesfalls dazu führen, dass der bisherige Radweg völlig vernachlässigt wird. Denn auch wenn die Benutzungspflicht entfällt, werden die baulichen Radwege weiterhin durch die meisten Radfahrer benutzt. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass zeitgleich die baulichen Anlagen entfernt und eine Radverkehrsführung auf der Fahrbahn markiert wird, die unsicheren Radfahrern auch subjektive Sicherheit vermittelt. Im Übrigen wollen gerade viele Senioren einen Radweg benutzen. Diese nähern sich auch in geringerem Tempo Kreuzungen und Einmündungen, so dass die Nachteile des Radweges hier geringer ausfallen oder sogar ins Positive umschlagen.
Autofahrer aufklären
Ich fürchte aber, es wird zur Vernachlässigung des bisherigen Radwegs kommen. Also brauchen wir dringend Verwaltungsvorschriften, damit das Gerichtsurteil nicht nur zur Kostenentlastung der Gebietskörperschaften dient, sondern tatsächlich zu mehr Sicherheit beiträgt. Und wir brauchen eine Aufklärung der Autofahrer über die Rechtslage: Nach meiner Beobachtung fühlen die sich von Radfahrern belästigt und glauben, dass diese auf den – nicht benutzungspflichtigen - Radweg gehören. Hupen und erzieherisches Schneiden sind dann die Folge. Was meinen Sie: Soll die Radwegbenutzungspflicht abgeschafft werden, vielleicht von wenigen Ausnahmen abgesehen? Soll die Kommune verpflichtet werden, dann eine entsprechende Radspur auf der Fahrbahn zu markieren?
Kommentare
Olaf am 22.04.2013:
Sicher ist der Weg den
Sicher ist der Weg den Radfahrern mehr Eigenverantwortung zuzutrauen der richtige Weg. Radwegbenutzungspflicht sollte nur an sehr gefährlichen Stellen angeordnet werden. Ansonsten liegt es an den Kommunen, die Radwege ordentlich bauen und pflegen, ob diese Radweg von den Radfahrern angenommen werden. Leider gibt es allzu viele Radwege die im Zustand gefährlich sind, aber mit einer Benutzungspflicht belegt werden. Gute Radwege brauchen keine Benutzungspflicht. Sie werden gerne angenommen. Ob es sicher ist auf ihnen zu fahren sollte jeder Radfahrer für sich entscheiden. Autofahrer die drängeln, hupen, bedrohen und sonst wie meinen Schulmeistern zu müssen, sollten aktiver aufgeklärt werden. Es sind nicht immer Bußgelder nötig. Verpflichtende Nachschulungen könnten sicher auch dazu beitragen. Diese kosten auch Geld aber auch Freizeit, der Autofahrer könnte etwas lernen und die Wirkung wäre ungemein stärker als ein einfaches Bußgeld.
Torben Frank am 23.06.2013:
Es gibt gar keine Radwegebenutzungspflicht
Brockmann am 28.06.2013:
Radwege sind nicht a priori gefährlich
Die dem Kommentar zugrundeliegende These, dass "Radwege objektiv betrachtet gefährlich sind", ist in dieser Absolutheit nicht belegbar. Alle bisherigen Forschungen zu diesem Thema kommen zu ähnlichen Ergebnissen: Es kommt auf die jeweiligen Randbedingungen und die bauliche Gestaltung an.
7eggert am 23.04.2015:
Daß ein Radweg ungefährlich
Matthias2 am 14.08.2013:
Stand der Forschung zur Sicherheit von Radwegen
Brockmann am 27.08.2013:
Forschungsbericht spricht nicht gegen Radwege
Wir beziehen uns auf unsere aktuelle Studie zu Abbiegeunfällen zwischen Kfz und Rad. Das von Ihnen genannte Forschungsprojekt ist ja über 20 Jahre alt und ich mußte selbst erst nochmal nachlesen. Leider ist es wie meist in der Diskussion mit Radfahrern, sei es zu diesem oder zum Helmthema: Umfangreiche Arbeiten, die sehr differenzierte Ergebnisse beschreiben, werden auf sehr verkürzte Aussagen reduziert, die fachlich nicht haltbar sind.
Das Ergebnis, dass die Unfallgefährdung an Knotenpunkten ohne LZA bei Fahrbahnführung geringer ist als bei der Führung auf Radwegen, resultiert insbesondere aus der Fehlnutzung durch links fahrende Radfahrer (40% aller Unfälle auf Radfahrerfurten in der Studie).
Die Studie sagt deutlich: „Allerdings läßt sich aus den Ergebnissen nicht schließen, die Führung auf der Fahrbahn oder auf Radfahrstreifen sei generell sicherer als die auf Radwegen, da die untersuchten Unfälle nur ein Teilkollektiv des gesamten Unfallgeschehens mit Radfahrern auf Hauptverkehrsstraßen darstellen“. „Bei der Führung auf der Fahrbahn oder auf dem Radfahrstreifen besteht […] eine Tendenz zu einer geringeren Unfallgefahr für geradeaus fahrende Radfahrer im Vergleich zu Radwegführungen. Allerdings ist dieser Sicherheitsvorsprung im Vergleich zu Radwegen mit Radfahrerfurten geringer Absetzung nur noch schwach ausgeprägt, insbesondere, wenn nur die rechtsfahrenden Radfahrer betrachtet werden.“ Die Studie enthält zudem sehr differenzierte Empfehlungen für die sichere Führung des Radverkehrs unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen.
Ein Punkt der bei der ganzen Diskussion selten berücksichtigt wird: Viele Radfahrer, insbesondere Ältere, lehnen eine Fahrbahnführung ab. Da der Anteil der Älteren zunimmt, muss dieses Verhalten mehr Berücksichtigung bei der Planung finden. Es wird daher wohl nicht ohne sichere und vom Kfz getrennte Radverkehrsführungen gehen.
Zum Alter der Studie: Sowohl die infrastrukturellen Randbedingungen (Vorgaben ERA) als auch die Verkehrszusammensetzung des Radverkehrs (Anzahl, Altersstruktur) haben sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Ergebnisse von mehr als 20 Jahre zurückliegenden Studien bedürfen daher zumindest einer kritischen Überprüfung der Übertragbarkeit auf die heutigen Verhältnisse.
Jan am 27.08.2013:
Gerne neue Studien
Brockmann am 18.09.2013:
Forschungsstand ist in Ordnung
Das von Ihnen gewünschte Projekt zur Sicherheit des Radverkehrs im Mischverkehr läuft bereits bei der BASt (Führung des Radverkehrs im Mischverkehr auf innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen sowie auf Hauptverkehrsstraßen mit Schutzstreifen, Projekt-Nr. 77.0496).
Das Öffnen von Fahrzeugtüren stellt in der Tat eine Gefahr für den Radverkehr dar, wenn auch nicht die Hauptgefahr. Abhilfe schafft hier in der Regel der Blick nach hinten vor dem Öffnen der Tür bzw. noch wichtiger die Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstandes durch den Radfahrer (Kampagnen könnten das aufgreifen). Übrigens: Wenn Radverkehrsanlagen entsprechend ERA angelegt sind, dann ist ein ausreichender Sicherheitsabstand zu parkenden Fahrzeugen gegeben.
Die Behauptung, in ERA und RASt stünde nichts zu Fahrstreifen an LSA- Knotenpunkten, verstehe ich nicht. Allein in der ERA wird auf 20 Seiten das Thema der Radverkehrsführung an Knotenpunkten innerorts dargestellt. RASt, RiLSA und RMS enthalten ebenfalls viele Vorgaben und Hinweise.
Das Diagramm in der ERA als frei erfunden zu bezeichnen, ignoriert vollständig alle Studien die bei BASt und BMV durchgeführt wurden und dem Diagramm zugrunde liegen (z.B.: Führung des Radverkehrs im Innerortsbereich (6 Teile, 1982-86); Sicherung von Radfahrern an städtischen Knotenpunkten (1992), Einsatzbereiche von Angebotsstreifen (2000), Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern (2009)) zudem erfolgte ein Abgleich mit entsprechenden Regelwerken in den Niederlanden und Dänemark.
Gleichwohl gibt es sicherlich noch Wissenslücken bei der Verbesserung der Verkehrssicherheit für den Radverkehr. Hinsichtlich Infrastruktur besteht jedoch im Wesentlichen ein Umsetzungsdefizit.
Jan am 12.10.2014:
Öffnen von Türen und ERA-Diagramm
Arne Besendonk am 20.08.2013:
Ohje, Radfahrer
Alfons Krückmann am 14.09.2013:
Ohje, Autofahrer?
Peter am 09.10.2013:
Neue Sicherheitskonzepte
Reinhard Jachmann am 28.11.2013:
Verkehrsphilosophie in Deutschland
Olliver Müller am 15.10.2014:
Erfahrungen auf "Radwegen"
Dieter am 12.11.2014:
Unsichere Radwege
Dietmar am 10.06.2015:
Ich begrüße die Diskussion
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