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Auto­no­mes Fah­ren: Sicher­heit geht vor!

"Wiener Weltabkommen geändert – Automobilindustrie jubelt“. Das lese ich gerade in einem Online-Artikel und ich verstehe den Jubel auch. Wahrscheinlich jubelt die Bundesregierung mit, die das mit einigen weiteren Ländern eingefädelt hat.

Schließlich geht es um ein großes Zukunftsprojekt der Automobilindustrie, um den Forschungsstandort und irgendwie auch um Verkehrssicherheit. Da braucht es inzwischen schon Mut, nicht mitzujubeln.

Worum geht es? Angefeuert von den Veröffentlichungen eines großen Suchmaschinenbetreibers, nach denen ein dort entwickeltes Fahrzeug angeblich bereits autonom fahren kann, investieren die Automobil-Hersteller jetzt noch stärker in die entsprechende Technik. Ziel: Der Fahrer soll seine Aufmerksamkeit von der Fahraufgabe abwenden können und in der Zwischenzeit beispielsweise Mails lesen oder Online shoppen können. Dazu musste aber das Wiener Abkommen über den Kraftfahrzeugverkehr geändert werden, das den Fahrer jederzeit in der Verantwortung für die Führung des Fahrzeugs sah.

Gedacht – getan. Selten ist eine aus meiner Sicht für die Verkehrssicherheit so wesentliche Bestimmung so schnell und ohne irgendwelche Proteste aufgegeben worden. Ich sage nicht geändert, sondern aufgegeben, denn nichts anderes bedeutet es, wenn die Annahme der jederzeitigen Kontrolle auch dann gelten soll, wenn die Systeme durch den Fahrer zu überregeln oder abzuschalten sind. Dabei kommt das Ganze in der Begründung so harmlos daher: Fahrerassistenzsysteme haben sich weiterentwickelt und beispielsweise ein Notbremsassistent greift in kritischen Situationen immer ein ohne dass der Fahrer da noch übersteuern könnte. Da soll es also rechtliche Grauzonen gegeben haben, die damit bereinigt wurden.

Kann man so sehen, ist aber schon eine geraume Weile so und in der Praxis vollkommen unproblematisch. Gerade weil man immer einen verantwortlichen Fahrer hatte und die Systeme nur Manöver ausführten, die ganz zweifellos im Sinne des Fahrers waren. Wenn die Änderung aber dazu führt, dass der Fahrer sich anderen Dingen widmen kann, haben wir nur noch die Fiktion eines verantwortlichen Fahrers, denn in Phasen autonomer Führung trifft natürlich das technische System die Entscheidungen.

Wenn es aber nicht mehr um Unterstützung des Fahrers geht, sondern um seine zumindest partielle Ausschaltung aus dem Regelkreis, dann ist damit eben nicht a priori ein Sicherheitsgewinn verbunden. Im Gegenteil: Das Verkehrsgeschehen ist sehr komplex und der Mensch ist nicht nur Fehlerursache, sondern auch ein Wunderwerk der Antizipation von Situationen und schafft es immerhin, sich im Durchschnitt rund 150.000 Kilometer unfallfrei in diesem Verkehr zu bewegen. Das müssen Systeme, die die Fahrzeugführung übernehmen, erstmal besser machen.

Genau das ist meine Forderung, nicht mehr, nicht weniger: Die Technik muss besser sein als der Mensch! Ob das der Fall sein wird, wissen wir aber noch nicht, es gibt sogar namhafte Wissenschaftler, die das bezweifeln. Aber bitte: Es ist doch an der Automobilindustrie, das in ausreichend langen Versuchsfahrten nachzuweisen. Aber bis dieser Beweis erbracht ist, halte ich es für verwegen, wenn eine Daimler-Sprecherin in nämlichen Artikel sinngemäß sagt: Die Technik haben wir, jetzt müssen die Gesetze endlich folgen. Leider läuft es gerade genau andersherum: Die Regeln werden eilfertig modifiziert, ohne dass der Beweis für die Sicherheit der Technik angetreten wäre.

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