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Abbie­gen bei Rot für Rad­fah­rer erlau­ben? Teil II

Auf meinen Blogeintrag zum Thema habe ich ja hier, aber vor allem auch bei Twitter einiges Feedback bekommen. Im erwartbaren Rahmen und überwiegend kritisch. Aber ich finde diese Möglichkeit des Austausches über soziale Medien immer noch sehr gut, bedanke mich gern auch für die sachlichen, nicht diffamierenden Beiträge der Community und natürlich auch für die Hinweise auf weitere Forschungsergebnisse.

Am Ende aber war nur der Hinweis auf eine französische Studie wissenschaftlich ernst zu nehmen. Und die haben wir uns dann genauer angeschaut. Ich möchte allen Interessierten das zusammengefasste Ergebnis hier zur Verfügung stellen und bitte gleichzeitig um Nachsicht, dass dieser Beitrag dadurch etwas trocken und wissenschaftlich wird:

Die in Frankreich seit einigen Jahren eingeführte Regelung, dass Radfahrer bei rotem Lichtzeichen rechts abbiegen dürfen, ist nur dort  erlaubt, wo sie durch ein Verkehrszeichen explizit angeordnet wird. Vor der Anordnung ist durch die zuständige Behörde jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob das Rechtsabbiegen bei Rot zugelassen werden kann. Nach der Anordnung ist zu prüfen, ob es durch diese Anordnung zu Problemen kommt. Insofern entspricht die Anordnungsmethode der bei unserem Grünpfeil.

Die Untersuchung in Nantes und Rezé umfasste 16 unterschiedliche Kreuzungen mit 40 betrachteten Knotenarmen.  Es wurden Untersuchungen in Spitzenzeiten und außerhalb der Verkehrsspitzen durchgeführt, einschließlich Verkehrszählungen, Geschwindigkeitsmessungen, Beobachtung der Rotlichtmissachtung und Konfliktbeobachtung.

Der Radverkehrsanteil betrug im Schnitt 4,3 Prozent und schwankte je nach Lage der Kreuzung zwischen 1 Prozent und 10 Prozent. In jeder dritten Beobachtungsstunde konnte kein rechts abbiegender Radfahrer beobachtet werden. Gezählt wurden 166 rechts abbiegende Radfahrer an 36 Knotenarmen in den 72 Beobachtungsstunden. Nur in 8 Beobachtungsstunden konnten mehr als 5 rechts abbiegende Radfahrer erfasst werden, die höchste Anzahl betrug 21. An den meisten Knotenarmen wurden jedoch nur 1 oder 2 Radfahrer je Stunde gezählt (in 31 von 72 Stunden).

Bei den Nachher-Erfassungen war die Anzahl der rechts abbiegenden Radfahrer ähnlich gering: 232 an 40 Knotenarmen in 80 Beobachtungsstunden. Bei der Zählung der Fußgänger wurde jeweils nur die vor dem abbiegen zu querende Furt konsequent erfasst. Insgesamt ist hier die Fußgängerstärke mit 3.549 um ein vielfaches größer als die Radverkehrsstärke. Leider wurde die nach dem Abbiegen zu querende Fußgängerfurt nur an der Hälfte der Knotenarme gezählt. Aber alleine hier wurden zusätzlich 1.642 Fußgänger erfasst. Die geringe Anzahl rechts abbiegender Radfahrer und die demgegenüber deutlich größere Anzahl an Fußgängern ist wohl auch der Grund dafür, dass insgesamt nur zwei Konflikte beobachtet wurden. Das Unfallgeschehen wurde nicht analysiert, was angesichts des kurzen Beobachtungszeitraums aber auch keinen Sinn gemacht hätte.

Vorher bogen an diesen Kreuzungen 48 Prozent rechts ab, unter Missachtung des Rotlichts. Nach Einführung der neuen Regelung waren es 76 Prozent, die bei rot rechts abbogen.  Immerhin jeder vierte Radfahrer blieb aber trotz der Möglichkeit rechts abbiegen zu können bei Rotlicht stehen.

Für mich das klare Ergebnis: Die Anzahl der Radfahrer ist an den beobachteten Knotenarmen sehr gering. Aussagen aus dieser Studie lassen sich daher nicht auf deutsche Verhältnisse übertragen und schon gar nicht auf Innenstadtsituationen mit hohem Aufkommen an Radfahrern und Fußgängern. Deshalb sehe ich keinen Grund, meine Haltung zum Thema zu revidieren. Gerne aber sehen wir uns weitere Hinweise an.

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