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Abbie­gen bei Rot für Rad­fah­rer erlau­ben? Teil I

Vor kurzem war ich als einer der Experten im Studio der WDR 2-Sendung „Arena“. Aufgehängt an der Frage: Radweg oder Fahrbahn ging es um alle Fragen des Radverkehrs.

Nicht nur die Resonanz bei den Hörern war überwältigend, ein sehr hoher Prozentsatz hat sich auch über das Maß der Regelmissachtung durch Radfahrer beklagt. Und obwohl man viele Argumente des Verständnisses finden kann, sind auch Wohlmeinende zunehmend irritiert, darunter auch viele mir bekannte Radfahrer. Ich meine deshalb, dass die Diskussion über Verbesserungen für den Radverkehr, die natürlich völlig zu Recht geführt wird, ergänzt werden muss durch eine Debatte über Verhaltensfragen.

Radfahrer sind ja schon längst keine Minderheit mehr, die sich nicht Gehör verschaffen kann. Ganz im Gegenteil sind viele Stellen in Planungsbehörden und in Redaktionsstuben längst mit aktiven Radfahrern besetzt.

Letzteres ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass eine solche Debatte über Verhaltensfragen nicht in Gang kommt, aber auf der anderen Seite für andere Verkehrsteilnehmer sicherheitskritische Vorschläge wohlwollend aufgenommen werden. Und dazu zählt für mich der Vorschlag, dass Radfahrer bei Rot abbiegen dürfen oder, in der verschärften Form, das Rotlicht insgesamt als „Vorfahrt achten“ interpretieren dürfen. Zum angeblichen Beweis wird angeführt, dass Ersteres in Idaho schon lange praktiziert wird und dort zu einer Verringerung der Unfallzahlen geführt habe. Und das ist mal wieder eine der typischen Aktivisten-Argumentationen, die schon bei erster Sichtung auseinanderfällt. Erstens gilt das dort schon seit 1982, so dass man sicher keinen sinnvollen Vorher-Nachher-Vergleich ziehen kann. Zweitens: Radverkehr in Idaho? Wird ja sicher so ähnlich sein, wie in Berlin! Drittens: In Idaho, wie in vielen anderen Staaten der USA, dürfen auch Autos bei Rot abbiegen.

Für den grünen Blech-Abbiegepfeil, der bei uns auch Autos das Abbiegen bei Rot ermöglicht, haben wir in einer Untersuchung erhebliche Gefahren und vor allem auch Komforteinbußen für Radfahrer und Fußgänger festgestellt. Das haben Radfahrer wichtig und richtig gefunden. Kein Problem haben sie aber offensichtlich, sich Vorteile zu Lasten  noch schwächerer Verkehrsteilnehmer zu verschaffen. In der Sendung erzählte ein Hörer, dass er in Münster mit der kleinen Tochter an der Hand auf den Radweg ausweichen musste, weil der Gehweg mit Rädern vollkommen zugeparkt war und ein von hinten kommender Radfahrer ihn von hinten dann wüst schimpfend bedrängte. Den Umgang von Radfahren mit Fußgängern kann jeder auch mal an Zebrastreifen beobachten. Habe ich noch nie erlebt, dass Radfahrer für Fußgänger halten. Mal ganz abgesehen von dem Verhalten beim Befahren der Gehwege.

Ich finde es daher an der Zeit, dass hier mal Klartext gesprochen wird. Es ist ja sicher verständlich und schön, dass man mit dem Rad zügig fortkommen möchte und jedes Bremsmanöver Zeit und Kraft kostet. Aber das rechtfertigt nicht die Aneignung des gesamten Verkehrsraums zu Lasten von allen Fußgängern, von Behinderten und Kindern. Und ganz sicher sollten wir nicht auch noch die StVO ändern, um das zu legalisieren. Fußgänger sollten auch weiterhin die Gewähr haben, dass sie bei Grün die Straße sicher überqueren können. Und wo es durch Fehlverhalten da heute schon zu Konflikten kommt, muss das dann eben als Rotlichtverstoß geahndet werden.

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